M O N O D G R A P H I E SErinnerung an Adolphe Monod (1802-1856) |
Des Menschen Elend (1828)Text in deutscher ÜbersetzungDiese Predigt ist ein schönes Beispiel einer zutiefst evangelischen Predigt, die den Werten der Erweckungsbewegung entspricht. Genauer gesagt, handelt es sich um den ersten Teil einer zweiteiligen Serie. Kontext Die Anfänge dieser Predigt reichen bis in die Zeit zurück, als Monod Pastor der französischsprachigen Kirche in Neapel war. Während dieser Zeit hatte er ein Bekehrungserlebnis. Die Predigt wurde während seiner Zeit in Lyon bearbeitet und trägt ganz offensichtlich die Spuren dieser Zeit. In der Tat kam es damals zum Konflikt zwischen dem frischbekehrten Pastor einerseits und der Kirche und ihrem Rat andererseits. Letztere vertraten die religiösen Überzeugungen der Aufklärung, die der Tugendhaftigkeit eine zentrale Stelle zuschrieb und die von der Reform wiederentdeckte „Erlösung durch Gnade“ völlig verdrängt hatte. Gewisse Bemerkungen, und insbesondere die Erwähnung der „tugendhaften Sünder“, scheinen direkt auf die gutbürgerlichen Zuhörer abzuzielen, die stolz auf ihre Tugend waren und dessen gewiß, daß sie ihnen die Tore zum Paradies öffnen würde. Inhalt Die Predigt will den ersten Teil von Römer 11.32 (Gott hat alle in den Ungehorsam eingeschlossen, …) herausstreichen und erklären. Monod zeigt, daß das Wort alle sowohl auf die Juden als auch die Heiden aller Zeiten abzielt und, mit Bezug auf Galater 3.22, daß Ungehorsam hier für die Sünde steht. Schließlich behauptet er, daß das Einschließen sich auf eine Erklärung Gottes bezieht, was es ihm ermöglicht, den Vers folgendermaßen neu zu formulieren: „Gott hat erklärt, daß jeder Mensch in seinem natürlichen Zustand ein Sünder ist.“ Danach rechtfertigt Monod die scheinbare Härte seiner Worte. Er möchte seine radikale Botschaft so wie ein Arzt verabreichen, um eine Heilung zu erreichen, anstatt den Kranken mit falschen Beruhigungen einzulullen. Monod erklärt dann den Begriff der Sünde, der nicht mit dem des Lasters verwechselt werden darf. Der Mensch ist Sünder, da er das Ziel, das Gott ihm gesteckt hatte, verfehlt hat, nämlich Gott über alles zu lieben. Dieses Gebot findet sich sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. Die Bibel stellt fest, daß der Mensch gescheitert ist, und zwar nicht nur in den Schlüsseltexten, die Monod zitiert, sondern in ihrer Gesamtheit. Monod bezieht sich ganz besonders auf die drei ersten Kapitel des Römerbriefs, die diese Lehre mit großer Klarheit zum Ausdruck bringen. Monod geht daraufhin auf den Einwand ein, diese Texte beträfen nur die Zeitgenossen des Paulus. Er warnt seine Zuhörer vor „jenem fürchterlichen Mißbrauch“, der darin besteht, zur Schrift etwas hinzuzufügen oder aus ihr etwas wegzunehmen (Ap 22.18), „unter dem Vorwand, den Glauben von all dem zu befreien, was den Ansprüchen der Vernunft nicht genügt“. Obwohl er sich der biblischen Basis für seine Behauptungen und ihrer Autorität gewiß ist, versucht Monod noch zu zeigen, daß die Vernunft selbst zu denselben Schlußfolgerungen gelangt. Gott, sowohl in der Vollkommenheit seines Wesens als auch in seiner Beziehung zu den Menschen, ist in höchstem Maße unserer Liebe würdig. Alles, was liebenswert ist, hat seinen Ursprung in ihm, sodaß jeder, der die Quelle dieser Dinge sucht, nur feststellen kann, daß Gott das erste Objekt unserer Liebe sein muß. Der Mensch, der diese Liebe aufgibt, gleicht einem Planeten, der seine Bahn um die Sonne verläßt, was dramatische Folgen für ihn nach sich zieht. Monod zeigt danach auf, daß der Mensch sich diesen Rufes als keineswegs würdig erweist: er liebt andere Dinge mehr als Gott. Der Prediger zeichnet das Bild eines idealen Christen in seiner Beziehung zu Gott, was es ihm erlaubt, darzulegen, wie sehr seine Zuhörer von diesem Ideal entfernt sind. Wir lieben Gott nicht so, wie wir es müßten, wir haben für ihn bestenfalls eine „kalte Achtung“. In diesem Zusammenhang liefert uns Monod eine bemerkenswerte Darstellung der verschiedenen Arten von Sündern. Für ihn sind die Menschen entweder „weltliche Sünder“, die ihre Liebe den Dingen dieser Welt widmen, oder – was weniger oft vorkommt – „warmherzige Sünder“, die vor allem ihre Familie oder ihren Freundeskreis lieben, oder aber sie zählen zu den – noch selteneren – „tugendhaften Sündern“ (!) deren Liebe ihrer Pflicht und den Forderungen ihres Gewissens gilt. Wie viele schenken ihre erste Liebe Gott? Gemeinsam mit Paulus findet Monod, daß „keiner, nicht auch nur ein einziger“ dieses Ziel erreicht. Der Prediger fordert seine Zuhörer auf; sich dieser Feststellung der Schrift gegenüber zu öffnen und sich von ihren schmerzhaften Behauptungen erschüttern zu lassen. Nur so werden sie für das Erbarmen Gottes empfänglich werden können. Die Predigt schließt mit einem Gebet in diesem Sinne. Aufbau Die Predigt hat einen ziemlich einfachen Aufbau. Die Einleitung ist so kurz wie nur irgend möglich, sie beschränkt sich auf einen einzigen Satz („Wer nur diesen Vers der Bibel richtig verstünde, der hätte den Schlüssel zur ganzen Bibel.“). Das ist kurz, aber effizient – wer hätte nicht Lust darauf, den Schlüssel zur gesamten biblischen Offenbarung zu besitzen? Die eigentliche Predigt besteht aus drei recht ausgewogenen Teilen: (1) Darstellung der biblischen Lehre; (2) Bestätigung durch die Befunde der Vernunft; (3) die Arten von Sündern, die wir sind, was uns zurück zur biblischen Feststellung bringt, daß alle Menschen Schiffbruch erlitten haben. Der Schluß ist als Gebet gehalten. Rednerische Elemente Monod führt uns kein Feuerwerk rednerischer Effekte vor. In die Augen fallen vor allem zwei deutliche Wiederholungen. In seiner Verteidigung der Allgemeingültigkeit der biblischen Lehre wiederholt der Prediger dreimal, in drei aufeinanderfolgenden Sätzen, „Wenn der Mensch nicht in dieser Unordnung lebt …“, und als er darauf besteht, wie sehr seine Zuhörer von der rechten Beziehung zu Gott entfernt sind, hören wir nicht weniger als sechsmal in sechs aufeinanderfolgenden Sätzen sagen: „Es ist nicht wahr …“. Alles in allem, handelt es sich hier um eine sehr geläufige Vorgehensweise. Bedeutung dieser Predigt Diese Predigt ist von großer Bedeutung, da sie die Grundlage von Monods Sündenlehre darlegt. Bei seiner Bekehrung hatte Monod begriffen, daß man die Sünde im biblischen Sinn nicht mit dem Laster verwechseln darf. In diesem Sinne bekämpft Monod die Idee der Sünde, wie sie vom Aufklärungschristentum verstanden wurde, und kehrt zu dem Begriff zurück, den wir insbesondere bei Paulus finden. Die Predigt enthält auch eine regelrechte Abrechnung mit der liberalen Exegese, die sich zum Richter über die Schrift macht und es sich erlaubt, das aus der Schrift herauszuschneiden, was der Vernunft nicht auf Anhieb gefällt. Monod zeigt hier seine tiefe Ehrfurcht vor der Bibel: „Wenn das Wort Gottes sich derart ausgesprochen hat, brauche ich jedenfalls keine andere Autorität.“ Schwächen Mir scheint, daß Monod dem Vers, auf den er seine Predigt aufbaut, Gewalt antut, wenn er sagt, daß das Einschließen in die Sünde so verstanden werden muß, daß Gott den Menschen zum Sünder erklärt. Die Vorstellung, daß Gott Erklärungen zum Zustand des Menschen abgibt, findet sich in der Tat im biblischen Konzept der Rechtfertigung (in der Gott den Glaubenden als gerecht erklärt), und es mag wohl angehen, eine entsprechende Erklärung der Sünde zu vermuten, aber es scheint mir zweifelhaft, daß Römer 11.32 auf eine solche Erklärung abzielt. Dieser Text scheint vielmehr zu sagen, daß es Gott zugelassen hat, daß der Sünder sich in seiner Sünde verstrickt (vgl. Römer 1.28: … lieferte sie Gott aus …). Im Gegensatz zur Rechtfertigung besteht keinerlei Notwendigkeit, den Menschen zum Sünder zu erklären, seine Handlungen machen von selbst klar, daß er es ist. Wenn Monod sagt, daß „ebenso überflüssig wie leicht [sei], durch die ganze Schrift zu beweisen, daß [der Ausdruck, „Gott habe die Menschen in der Sünde eingeschlossen“] nicht bedeutet, daß Gott die Menschen zur Sünde gezwungen hat, sondern daß er erklärt hat, daß sie Sünder sind“, bleibt er nicht nur den Beweis schuldig; er scheint mir vielmehr ein Element, das dem Vers fremd ist, einzuführen, was wenig glorreich für einen Prediger ist, der die Treue zur Schrift auf sein Banner geschrieben hat. Andere Besonderheiten Diese Predigt zeigt eine Besonderheit Monods, die wir auch anderswo zu sehen bekommen, und zwar seine Liebe zu Bildern aus den Naturwissenschaften. Im gegenwärtigen Fall handelt es sich um das Bild eines Planeten, der seine Umlaufbahn um die Sonne verlassen hat.
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