M O N O D G R A P H I E S

Erinnerung an Adolphe Monod (1802-1856)

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Adolphe Monod und Eugène Bersier

 

1. Fakten

Wir wissen nicht, ob es persönliche Kontakte zwischen Adolphe Monod und Eugène Bersier gab, zumal die beiden Männer nicht viel Gelegenheit hatten, sich über den Weg zu laufen. Eugène kam im Februar 1854, nach Abschluss seines Theologie-Studiums nach Paris, und er brach schon im Juli desselben Jahres nach Deutschland auf. Er kam Ende 1854 oder Anfang 1855 nach Paris zurück, also zu einem Zeitpunkt, an dem Adolphe Monod schon ernsthaft krank war und im Begriff, sich aus dem Pfarramt zurückzuziehen.

Wir wissen aber, dass Edmond de Pressensé, ein Freund und (über die Ehefrau Bersiers) Verwandter von Eugène Bersier, zu jenen Pastoren gehörte, die Adolphe Monod vor seinem Tod noch besuchten. Die Sammlung von Texten Les Adieux nennt die Pastoren, die die Gottesdienste, welche am Sterbebett Monods abgehalten wurden, leiten durften, nämlich „die Herren Frédéric Monod, Guillaume Monod, Meyer, Grandpierre, Gauthey, Vaurigaud (aus Nantes), Vallette, Armand-Delille, Vermeil, Fisch, Jean Monod, Edmond de Pressensé, Petit, Paumier, Zipperlen, Hocart, Louis Vernes, Boissonnas und Vulliet“ [1]. Eugène Bersier war wohl nicht unter ihnen – was kaum verwunderlich ist.

 

2. Erwähnungen

Bersier erwähnt oder zitiert Monod wenigstens viermal in seinen veröffentlichten Predigten. Es ist offensichtlich, dass er großen Respekt für Adolphe hat, aber keine dieser Stellen erwähnt einen persönlichen Kontakt:

  • In seiner Predigt „Die Undankbaren“ hat Bersier folgende Fußnote: „Lest doch zum Beispiel das letzte Gebet von Adolphe Monod (siehe seine Adieux), und sagt mir, ob jemals jemand ein so bewegtes und bewundernswertes Dankgebet inmitten so grausamer Schmerzen gesprochen hat!“
  • In der Predigt „Mutlosigkeit“ finden wir einen Satz mit einem Verweis auf Adolphe Monod: „Darin besteht die einzige Lösung des schrecklichen Problems, anstatt das Gesetz Gottes auf die Stufe eurer Natur zu senken, unsere Natur auf die Ebene des Gesetzes Gottes zu erheben, die sowohl Gottes als auch eurer würdig ist.“ Wir wissen nicht, auf welchen Text Monods sich Bersier bezieht. Der Ausdruck „sowohl Gottes als auch eurer würdig“ findet sich auch in der Predigt „Lazarus“, aber ohne jede Bezugnahme auf Monod.
  • Die Predigt „Der Sklave Onesimus“ zitiert einen Satz Monods: „Er verbündet sich mit der normalen Menschheit gegen die gefallene Menschheit, mit dem Menschen, wie er sein soll, gegen den Menschen, wie er ist.“ Es handelt sich hier um einen Auszug aus der Predigt „Der heilige Paulus“.
  • Die Predigt „Erinnere dich!“ enthält folgende Stelle: „Ungläubige und unbußfertige Seelen, Christen nur dem Namen nach, die auf verbotenen Pfaden wandeln, ihr müsst euch heute erinnern, damit ihr euch nicht erinnern müsst, wenn keine Zeit mehr ist, um nicht eines Tages gezwungen zu sein, dem Schmerz von „Ich kann nicht mehr!“ die Bitternis von „Ich konnte, und wollte nicht!“ beizumengen, wie Adolphe Monod sagte.“ Das Zitat stammt aus Monods Predigt „Zu spät“.

In einer schriftlichen Antwort auf Angriffe eines Professors der theologischen Fakultät von Lausanne zählt Bersier Adolphe Monod zu den „hervorragenden Brüdern, gleichermaßen standfest und fromm“ [2] und erklärt, dass er denselben Respekt verdiene wie sein Bruder Frédéric [3].
 

3. Erinnerungen

In ihrem Buch über das Leben ihres verstorbenen Mannes erwähnt Marie Bersier Adolphe Monod zweimal:

Die erste Stelle [4] betrifft seinen Tod:

„Adolphe Monod war am 6. April 1856 gestorben. Es ist bekannt, dass er während der Wochen vor seinem Tod von Gott die Gnade und die Kraft empfing, jeden Sonntag Nachmittag einen Teil seiner Gemeinde mit seiner Familie und seinen liebsten Freunden an seinem Bett versammeln zu können, ungeachtet seiner grausamen Schmerzen. Das war sein „Lebewohl“ [5].

Was für ein Privileg, eingeladen zu sein, diesen letzten Gedanken zu lauschen! Hier von Beredsamkeit zu sprechen, das wäre ein Frevel. Oft unterbrochen von Momenten, in denen die Schmerzen übermächtig waren, ausgelöst von dem Übel, das seine Zerstörungsarbeit vorantrieb, mit gebrochener Stimme, aber bewundernswerter als je zuvor, trug der Prediger des Evangeliums mit großer Kraft die Zeichen seines Glaubens, der gewiss das Unsichtbare schon sehen konnte.

Unter den Zuhörern befanden sich Männer, die demütig und zitternd zum Einsatz bereit bleiben würden, das Herz bedrückt vom Eindruck der Verlassenheit, angesichts eines solchen Verlusts.

Edmond de Pressensé schrieb in der Revue chrétienne vom 7. April:

„Es ist jetzt nicht der richtige Augenblick, um zu versuchen, darzulegen, was alles wir verloren haben. Der Name Adolphe Monod allein genügt, um an die größte evangelische Beredsamkeit, das heiligste Leben und eine ausufernde Liebe zu erinnern. Er vereinte den Glanz des Talents mit Kargheit und Bescheidenheit, eine seltene Mischung, die Vinet uns bereits gezeigt hatte. Adolphe Monod hat sein ganzes Herz und all seine Gebete in sein Wort gelegt. Wenn immer er seine Zuhörer mit dem Gedanken des Gerichtes Gottes erzittern ließ, sah man an seinem blassen Gesicht dass er zuerst für sie gezittert hatte;  ebenso offenbarte die sanfte Flamme seines Blicks, wenn er in seiner unnachahmlichen Sprache von der Gnade Gottes sprach, seine eigene Freude und seine glückselige Sicherheit. Ich habe vor einigen Jahren ein Manuskript einer seiner ersten Predigten zu Gesicht bekommen. Zwischen zwei ergreifenden Passagen war ihm ein Herzensschrei entfahren, den Gott allein hören sollte: „Mein Gott, hilf mir durch das Blut deines Kreuzes!“. Sagt dieses Wort nicht alles? Spürt man hier nicht die verborgene und schmerzensreiche Arbeit dessen, der Menschen zur Wahrheit führen will? Kein Wunder, dass Predigten, die so vorbereitet waren, so viel Wirkung gezeigt haben! Es lässt uns auch verstehen, wie Adolphe Monod noch auf seinem Totenbett mit derselben Kraft und derselben Schönheit sein höchstes Zeugnis geben konnte. ...

Wir müssen uns in Stille vor den unergründlichen Beschlüssen Gottes beugen, der uns, nachdem er uns Verny im Alter von 49 Jahren und Vinet mit 50 Jahren genommen hat, nun Adolphe Monod im Alter von 54 Jahren nimmt.“

Wenn man diesen Text überfliegt, könnte man glauben, dass Bersier an den Versammlungen um Adolphe Monod teilgenommen hat, aber bei genauer Betrachtung stellt man fest, dass das so nicht behauptet wird.

Die zweite Stelle [6] zeigt uns dass die Prediger der Kapelle Taitbout bis zu einem gewissen Punkt versuchten, die durch den Tod Monods entstandene Lücke zu schließen:

„... In der reformierten Kirche hatte der vorzeitige Tod Adolphe Monods für große Betroffenheit gesorgt und ein Vakuum geschaffen, das zu füllen unmöglich erschien. Niemand hat ihn je ersetzt, ihn, dessen Andenken immer noch lebendig ist und der völlig einzigartig war. Aber es ist auch wahr, dass Gott einer ist, der Breschen schließt. Wenn ein Mensch gefallen ist, stehen andere auf. Und so geschah es, dass ein regelrechter Strom von Menschen zu den Predigten der Kapelle Taitbout strömte.“
 

4. Vergleiche

In seiner Abhandlung zur Geschichte der protestantischen Predigt aus dem Jahr 1871 [7] ordnet Alfred Vincent Monod unter die Prediger der Erweckungsbewegung ein, die er nicht besonders schätzt, während er Bersier als einen Orthodoxen mit liberalen Ansichten beschreibt, was ihm mehr zusagt. Aber er wagt keinen direkten Vergleich von Adolphe Monod und Eugène Bersier als Prediger.

Solche Vergleiche sind eher selten, vielleicht auch deshalb, weil die beiden Prediger ganz andere Anliegen hatten. Monod war ein Prediger der Erweckungsbewegung, dem es vor allem um die Bekehrung seiner Zuhörer ging, während Bersier als Moralist zu gelten hat.
 
Die Studie, die Edmond-Louis Stapfer Bersier gewidmet hat [8], enthält folgende Feststellung:

„Eugène Bersier war der größte protestantische Prediger Frankreichs der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Adolphe Monod, der 1856 gestorben ist, gehört zur ersten Hälfte. Und wenn ich das so sage, bleibe ich noch hinter meinen Gedanken zurück. In meinen Augen war Bersier einer der großen Meister der französischen Kanzel aller Zeiten. De Sacy schreibt Folgendes über ihn (Auszug aus dem Journal des Débats vom 15. August 1876): „Als Moralist war Bersier den größten Namen unserer altehrwürdigen katholischen Kanzel ebenbürtig.“ Ein großes Lob, oder vielmehr ein aufrichtiges und bleibendes Zeugnis für die Wahrheit. ...“

Sein Bruder Paul, der Monod in vielerlei Hinsicht bewunderte und nicht davor zurückschreckte, ihn mit Bossuet zu vergleichen, schrieb einige Jahre später [9]:

„Wahrscheinlich kann man sagen dass Adolphe Monod in großartiger Weise die Reihe der Prediger abschließt, die erfolgreich die alten Schreckgespenster beschworen. Aber man muss sagen, dass sie zu dem Zeitpunkt, als er sich noch ihrer bediente, schon zum Anachronismus verkommen waren und dass er, indem er sich unter Zuhilfenahme aller grausamen Texte der Bibel ihrer bediente, große Anstrengungen unternehmen musste, um sein Herz zu überwinden. Daher rührt jenes schwer zu beschreibende Unwohlsein, das den modernen Leser überkommt, wenn er die steifen und großartigen Meisterwerke liest, die da heißen: Zu spät oder Wie sehr ein unbekehrter Christ armselig ist in den Augen Gottes. Es ist unbestreitbar, dass die Predigt von Eugène Bersier oder von Edmond de Pressensé den Bedürfnissen der heutigen Christen besser entspricht, und es ist keineswegs gewiss, dass im Jahr 1850 oder 1830 alle Predigten von Adolphe Monod mit dem Geist der Zeit im Einklang standen.“

 

Fußnoten

[1] Les adieux d’Adolphe Monod à ses amis et à l’Eglise, Meyrueis, Paris, 1856, III

[2] Eugène Bersier, Mes actes et mes principes. Réponse aux attaques de M. J.-F. Astié, Paris, Sandoz et Fischbacher, 1877, 48

[3] ibid., 50

[4] [Marie Bersier] Recueil de souvenirs de la vie d’Eugene Bersier, Paris, Fischbacher, 1911, 114-116

[5] Im Französischen liegt hier ein Wortspiel vor. Les Adieux bedeutet „Lebewohl“; es ist aber auch der Titel des Bandes, der die letzten kurzen Reden von Adolphe Monod enthält.

[6] [Marie Bersier] op.cit., 146

[7] Alfred Vincent, Histoire de la prédication protestante de langue française au dix-neuvième siècle, Genf, Cherbuliez & Cie, 1871, 330 p.

[8] Edmond-Louis Stapfer, La prédication d’Eugène Bersier, Paris, Fischbacher, 1893, 8

[9] Paul Stapfer, La grande prédication chrétienne en France. Bossuet, Adolphe Monod, Paris, Fischbacher, 1898, 355f.

 

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